Kakao ist ein wichtiger Rohstoff für die deutsche Süßwarenindustrie, besonders für die Herstellung von Schokolade, aber auch für andere Produkte der Branche. Über 10 % der Weltkakaoernte werden allein in Deutschland verarbeitet. Die deutsche Süßwarenindustrie sieht sich in einer Mitverantwortung für die gesamte Kakaowertschöpfungskette. Das Wohlergehen aller Erzeuger, der Kakaobauern in Afrika, Südostasien sowie Süd- und Mittelamerika steht dabei im Vordergrund. Der Bundesverband der Deutschen Süßwarenindustrie e.V. (BDSI) hat sich daher zum Ziel gesetzt, die Verhältnisse der Kakaoerzeuger in den Anbauländern durch Förderung eines nachhaltigen Anbaus von Kakao in enger Zusammenarbeit mit den gesellschaftlichen Kräften vor Ort zu verbessern. Dieses Engagement kann nur gelingen, wenn ausnahmslos alle Beteiligten an der Kakaowertschöpfungskette in dieses Vorhaben eingebunden sind, es unterstützen und aktiv mitarbeiten. Hierzu gehören insbesondere die Regierungen der Anbauländer, die deutsche Bundesregierung in Kooperation mit den Regierungen der übrigen EU-Mitgliedstaaten, der Kakaohandel, die Standard- und Zertifizierungsorganisationen, der Lebensmitteleinzelhandel, die Nichtregierungsorganisationen und die Verbraucher.
Die Voraussetzungen und Bedingungen im Kakaoanbau sind einzigartig und nicht vergleichbar mit denjenigen bei anderen pflanzlichen Rohstoffen aus Drittländern.
Kakao wird in der Regel von Kleinbauern neben anderen Nutzpflanzen auf meist 2 bis 7 Hektar angebaut, ist aber häufig Haupteinnahmequelle. Der Großteil der Kakaobauern ernährt oft 5- bis 8-köpfige Familien. Die Mitarbeit der Kinder dieser Kleinbauern ist in vielen Ländern üblich und gesellschaftlich akzeptiert. In der schwierigen wirtschaftlichen Situation trägt dies zum Lebensunterhalt der Familien bei. Es kommt aber immer noch zu missbräuchlichen Formen der Kinderarbeit, auch bedingt durch die Armut. Es fehlt an Zugang zu Grundbildung und Kenntnissen über eine effiziente Nutzung der Ressourcen oder den Umgang mit Dünge- und Pflanzenschutzmitteln, häufig auch an dem für den Kakaoanbau erforderlichen Basiswissen, um Kakao produktiv anzubauen. Viele Bauern und ihre Familien führen daher ein Leben am Rande des Existenzminimums. Die Kakaoanbauregionen sind zumeist entlegen und schlecht oder gar nicht erschlossen. Schulen sind nicht überall vorhanden bzw. werden von den Kindern der Kakaobauern trotz Schulpflicht teilweise nicht besucht, da es an Geld für Lernmittel fehlt oder auf die Arbeit der Kinder nicht verzichtet werden kann. Die Kakaowertschöpfungsketten sind oft mehrstufig und teils intransparent, da viele Zwischenhändler am Kakaohandel beteiligt sind. Bis der Kakao die Fabriken in Deutschland erreicht, hat er in der Regel schon viele Handelsstufen durchlaufen.
Die Förderung nachhaltiger Anbaumethoden ist Ausdruck der sozialen Verantwortung der deutschen Süßwarenindustrie und sichert langfristig die Versorgung mit qualitativ hochwertigem Kakao. Die Einführung nachhaltiger Anbaumethoden ist gleichzeitig ein entscheidender Hebel zur Verbesserung der Lebensbedingungen der Bauern und ihrer Familien. Hierfür ist ein flächendeckendes Angebot zur Schulung der Kakaobauern und Zugang zu Kleinkrediten für Investitionen mit dem Ziel der Steigerung der Produktivität, Qualität und Effizienz unabdingbar. Dies führt zur Erhöhung der Einkommen und gibt den Kakaobauern und ihren Familien eine langfristige Perspektive. Voraussetzung ist, dass zu diesem Zweck genügend Ausbilder vor Ort geschult werden, um den Kakaobauern agrartechnisches Grundwissen und Best-Practice-Kenntnisse im Kakaoanbau zu vermitteln und so die Kapazitäten deutlich zu erhöhen. Bisher sind auch Frauen und junge Menschen im Kakaoanbau zu wenig gefördert.
Die deutschen Kakao verarbeitenden Unternehmen gehen von einem ökologischen, sozialen und ökonomischen Nachhaltigkeitsverständnis aus, das bereits heute teilweise die Basis verschiedener Nachhaltigkeitsstandards ist. Mit dem CEN/ISO-Standard „Nachhaltiger und rückverfolgbarer Kakao“ wird erstmals für einen Lebensmittelrohstoff eine weltweit gültige Norm geschaffen. Durch den 2012 begonnenen breit angelegten Multistakeholderprozess ist er global anerkannt. Auch wird er zur Maßgabe für die bereits existierenden Standards etwa von Fairtrade, Rainforest Alliance oder UTZ Certified.
Die Aktivitäten der Unternehmen der deutschen Süßwarenindustrie stehen dabei im Einklang mit den sog. Sustainable Development Goals (kurz SDGs). Diese wurden von den Vereinten Nationen im Rahmen der Agenda für eine nachhaltige Entwicklung 2030 verabschiedet.
Während in der ersten Dekade dieses Jahrhunderts viele Programme und Projekte zur Förderung eines nachhaltigen Kakaoanbaus in guter Absicht, aber unabhängig voneinander begonnen und fortgeführt wurden, hat sich in den letzten Jahren die Erkenntnis durchgesetzt, dass durch umfassende Koordination innerhalb der Wert-schöpfungskette und durch bessere Vernetzung vor Ort noch mehr Wirkung entfaltet werden kann, vor allem wenn die Initiativen gemeinsam mit den Menschen vor Ort geplant und umgesetzt werden und mit den Bestrebungen der lokalen Regierungen konform gehen. Inzwischen arbeiten Akteure wie die International Cocoa Initiative (ICI) und die World Cocoa Foundation (WCF) gemeinsam daran, den Kakaosektor nachhaltiger zu gestalten. Die WCF hat die CocoaAction Strategie ins Leben gerufen, mit der allein bis zum Jahr 2020 300.000 Kakaobauern und ihre Familien mit den Programmen und Projekten der WCF-Mitglieder erreicht werden sollen Auch das Forum Nachhaltiger Kakao stimmt sich im Projekt PRO-PLANTEURS sowohl mit der ivorischen nationalen 2QC-Strategie als auch mit CocoaAction ab.
Nachweislich nachhaltig erzeugter Kakao war bis vor wenigen Jahren nur in geringen Mengen auf dem Weltmarkt verfügbar, da er vor allem aus bereits bestehenden Projekten mit Kooperativen im marktnahen Bereich stammte. Die Umstellung auf nachhaltigen Anbau ist angesichts der Vielzahl der Kakaobauern und -bäuerinnen, die teilhaben sollen, eine gewaltige Aufgabe. Sie setzt einen gewaltigen Wissenstransfer voraus, auch einen Willen zur Umsetzung bei den Bauern selbst, sowie ein planerisches Denken. Die Förderung von Frauen und jungen Menschen ist dabei unerlässlich. Ohne Unterstützung der lokalen Regierungen ist nachhaltiger Anbau flächendeckend kaum zu erreichen. Auch auf den weiteren Stufen der Wertschöpfungskette in den Anbauländern muss der Nachhaltigkeitsgedanke umgesetzt werden. Der Auf- und Ausbau einer sozialen und verkehrstechnischen Infrastruktur muss weiter vorangetrieben werden, Gesetzgebung und Verwaltung müssen für den Kakaoanbau das Umfeld noch besser gestalten. Die Umstellung auf nachhaltigen Anbau ist ein Prozess, der vor wenigen Jahren begonnen wurde und nur Schritt für Schritt möglich sein und noch viele Jahre in Anspruch nehmen wird.
Die deutsche Süßwarenindustrie nimmt ihre Verantwortung wahr und strebt langfristig die Versorgung mit 100 % nachhaltig erzeugtem Kakao an. Diese Erklärung des BDSI wird getragen von dem Willen, die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse im Kakaoanbau nachhaltig zu verbessern und den Anbau umweltverträglich zu gestalten. Die Lebensbedingungen der Kakaobauern und ihrer Familien sollen verbessert werden. Voraussetzung dafür ist, dass die Kakaobauern über ihre Erträge ein angemessenes Einkommen am Markt erwirtschaften, mit dem sie für die Ausbildung, die medizinische Basisversorgung und das Wohlergehen ihrer Familien aufkommen können. Zu einer nachhaltigen Wirtschaftsweise gehören außerdem gute Anbaupraktiken und der verantwortungsbewusste Umgang mit natürlichen Ressourcen sowie vor allem Arbeitspraktiken, die weder Kinder noch Erwachsene ausbeuten. Allen Kindern in den Kakaoanbauländern soll Zugang zu Schulen und Bildung ermöglicht werden. Missbräuchliche Formen von Kinderarbeit sollen der Vergangenheit angehören. Die deutsche Süßwarenindustrie distanziert sich von jeglicher Form missbräuchlicher Arbeitspraktiken und wirkt im Rahmen ihrer Möglichkeiten aktiv darauf ein, dass die für Kinder maßgeblichen ILO-Konventionen 138 (Mindestalter) und 182 (Definition missbräuchlicher Arbeitspraktiken) eingehalten werden. Zugleich verfolgt sie mit ihren Aktivitäten das Ziel, die Versorgung mit nachhaltig angebautem Kakao in guter Qualität langfristig zu sichern.
Der BDSI empfiehlt seinen Mitgliedern, den Anteil nachhaltig erzeugten Kakaos in den in Deutschland verkauften Süßwaren in den kommenden Jahren deutlich zu erhöhen, um für die Gesamtbranche einen Anteil von 75 % im Jahre 2025 zu erreichen. Diese Zielvorstellung ist von bester Absicht der deutschen Süßwarenhersteller getragen, kann aber nur durch das Zusammenwirken aller an der Wertschöpfungskette Beteiligten erreicht und nicht von den Herstellern allein gewährleistet werden. Deshalb ist es erforderlich, dass alle Beteiligten auf allen Stufen aktiv mitwirken und ihre spezifische Verantwortung wahrnehmen. Der BDSI beobachtet und dokumentiert regelmäßig die von seinen Mitgliedern gemachten Fortschritte.
Zur Erreichung der Zielsetzungen und unter Berücksichtigung der Besonderheiten im Kakaosektor ist ein konzertierter Einsatz aller Akteure wesentlich:
• Regierungen der Anbauländer (fördernde Rahmenbedingungen, soziale und verkehrstechnische Infrastrukturmaßnahmen, Mitarbeit und Unterstützung bei der Harmonisierung der Nachhaltigkeitsdefinition und bei der Vernetzung, Auswahl und Gestaltung von nachhaltigen Kakaoprojekten)
• Deutsche Bundesregierung (dauerhafte politische Unterstützung der Initiative, verstärkte Entwicklungszusammenarbeit, EU-Koordination, bilateraler Dialog mit den Regierungen der Anbauländer)
• Kakaohandel (transparente rückverfolgbare Wertschöpfungskette, Beteiligung an Projekten und Maßnahmen zur Förderung eines nachhaltigen Anbaus)
• Standard setzende Zertifizierungsorganisationen (Beteiligung an Projekten über die schon jetzt geförderten Kooperativen hinaus, Mitarbeit an der Harmonisierung der vorwettbewerblichen Nachhaltigkeitsdefinition)
• Industrie (verstärkte Verwendung von nachhaltigem Kakao, Beteiligung an Nachhaltigkeitsprojekten, Harmonisierung der Nachhaltigkeitsdefinition)
• Lebensmitteleinzelhandel (Beteiligung an Nachhaltigkeitsprojekten, Verwendung der harmonisierten Nachhaltigkeitsdefinition, Werben um Verbraucherakzeptanz)
• Verbraucher (Bereitschaft, das Nachhaltigkeitsengagement der Wertschöpfungskette entsprechend zu honorieren)
• Nichtregierungsorganisationen (Beteiligung an Nachhaltigkeitsprojekten, Mitarbeit an der Harmonisierung der Nachhaltigkeitsdefinition)
Um diesen konzertierten Einsatz sicherzustellen, hat der BDSI mit der Bundesregierung (Bundesministerien für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) sowie für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ)), dem Lebensmittelhandel (BVLH) und der Zivilgesellschaft (Gewerkschaften, Zivilgesellschaft, wie z.B. die NGO Südwind) im Jahr 2012 das Forum Nachhaltiger Kakao gegründet.
Das deutsche "Forum Nachhaltiger Kakao" ist ein Schulterschluss aller gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Akteure mit der Politik. Ziel ist es, dass alle, die an der Herstellung und Vermarktung des Rohkakaos beteiligt sind - vom Anbau in den Ursprungsländern bis zum Schokoladenprodukt im Regal - hier zusammen arbeiten, um gemeinsam mit der deutschen Bundesregierung und den Regierungen der Anbauländer die Lebensbedingungen der Kakaobauern und ihrer Familien zu verbessern. Die Fortschritte aller beteiligten Akteure zur Erreichung des gemeinsamen Ziels werden regelmäßig im Rahmen des Kakaoforums dokumentiert und beraten.
Die Verbesserung der Bedingungen in den Anbauländern ist möglich und machbar. Deshalb fordert der BDSI alle ebenfalls an der Kakaowertschöpfungskette beteiligten Akteure, Regierungen, Behörden, Kakaobauern, Kakaohandel, Lebensmitteleinzelhandel, Standard- und Zertifizierungsorganisationen und Nichtregierungsorganisationen auf, ihre spezifische Verantwortung wahrzunehmen und sich aktiv an der Förderung eines nachhaltigen Kakaoanbaus zu beteiligen, damit die mit dieser Initiative angestrebten Ziele auch erreicht werden können.
Beschluss des Präsidiums des BDSI vom 08.12.2011
bestätigt in der Schlussfassung vom 01.03.2012
geändert durch Beschluss Präsidiums des BDSI am 07.12.2017.
Süßwaren im Sinne dieser Erklärung sind folgende Erzeugnisse, soweit in ihnen Kakao eingesetzt wird:
Das vollständige Positionspapier können Sie hier herunterladen.
Stand: Mai 2019