„Genuss und Verantwortung: Nachhaltigkeit im Kakaosektor“ – Politischer Abend des BDSI in Brüssel

© 2014 Verena Günther

Am 24.09.2014 lud der Bundesverband der Deutschen Süßwarenindustrie e.V. (BDSI) in Brüssel zu seinem jährlich stattfindenden Politischen Abend „Süßwaren im Dialog – Brussels meets Sweets“ ein, diesmal in die Räumlichkeiten der Landesvertretung Hessen. Thema war in diesem Jahr das Engagement der deutschen Süßwarenindustrie im Bereich Nachhaltigkeit, speziell im Kakaosektor.

Friedrich von Heusinger, Leiter der Vertretung des Landes Hessen bei der Europäischen Union, begrüßte den breit angelegten Diskurs der BDSI-Veranstaltung.

Stephan Nießner, Vorsitzender des BDSI, erläuterte einführend, dass die deutsche Süßwarenindustrie pro Jahr rund 400.000 t Kakao – das sind 10 % der Welternte – in ihren vielfältigen Produkten verarbeitet. Somit steht die Süßwarenindustrie in Deutschland in einer besonderen Mitverantwortung. Sie nimmt diese engagiert durch die Förderung eines nachhaltigen Kakaoanbaus wahr, um die Lebensbedingungen der Kakaobauern in Westafrika zu verbessern.

Auf dem Podium diskutierten neben dem BDSI-Vorsitzenden Stephan Nießner kontrovers:

  • Beate Weiskopf, Geschäftsführerin Forum Nachhaltiger Kakao (GISCO)
  • Dr. Roberto Ridolfi, Europäische Kommission, GD DEVCO
  • Friedel Hütz-Adams, Wissenschaftlicher Mitarbeiter SÜDWIND e.V. – Institut für Ökonomie und Ökumene/VOICE
  •  Dieter Overath, Geschäftsführer FAIRTRADE Deutschland
  • Michael Gahler, MdEP, Europäisches Parlament, Mitglied im Ausschuss für Auswärtige Angelegenheiten

Die Podiumsdiskussion moderierte der bekannte Wirtschaftsjournalist Hajo Friedrich.

Stephan Nießner, Vorsitzender des BDSI, berichtete, dass teils extreme Armut der Kakaobauern, mangelnde Infrastruktur und technische Ausstattung, hohe Ernteverluste und fehlendes Wissen um gute Anbaupraktiken noch immer allzu häufig den Kakaoanbau in Westafrika kennzeichnen. Viele Initiativen aus der Kakao- und Schokoladenwirtschaft setzen daran an, die Verhältnisse in den Produzentenländern zu verbessern. Hierzu gehören insbesondere Schulungen von Kakaobauern in so genannten Farmer Field Schools, um die Ernteerträge zu verbessern. Die Ursachen der Armut vieler Kakaoerzeuger – wie vor allem mangelnde Bildung und ineffiziente Anbaumethoden – können effektiv aber nur im Rahmen einer engen Kooperation mit den Erzeugerländern angegangen werden. Nur dann kann der Kakaoanbau langfristig und zukunftsorientiert nachhaltig werden.

Der BDSI und seine Mitgliedsunternehmen engagieren sich intensiv für einen nachhaltigen Kakaoanbau. Wichtige Schritte in diese Richtung sind die Nachhaltigkeitsinitiative des BDSI und die Gründung des „Forum Nachhaltiger Kakao“. Die deutsche Süßwarenindustrie hat ihren Anteil an nachhaltig erzeugtem Kakao in den in Deutschland verkauften Süßwaren weiter ausgebaut; er lag im Jahr 2013 bei 17,5 % (2012: 7 %).

Dr. Roberto Ridolfi von der Generaldirektion DEVCO warb für das Modell der Public Private Partnership. Aus seiner 20jährigen Erfahrung in der Entwicklungszusammenarbeit unter anderem in Uganda sei er der Überzeugung, dass sich der Ansatz der Entwicklungspolitik ändern müsse. Die von der Europäischen Kommission auf den Weg gebrachte Roadmap zur Stärkung der Rolle des privaten Sektors beim Erreichen eines nachhaltigen Wachstums in den Entwicklungsländern müsse umgesetzt werden.

Friedel Hütz-Adams vom SÜDWIND-Institut für Ökonomie und Ökumene und dem europäischen NGO-Netzwerk im Kakaobereich VOICE, hält es für die schwierigste Herausforderung, die Mehrzahl der Kakaobauern zu erreichen, die noch nicht organisiert sind. Dies seien 80 %. Auch müssten die Regierungen der Anbauländer von Kakao ihre spezifische Verantwortung wahrnehmen und ihre Anstrengungen im Kampf gegen missbräuchliche Kinderarbeit verstärken.

Dieter Overath, Geschäftsführer FAIRTRADE Deutschland, betonte, dass sich der Blickwinkel in der Entwicklungszusammenarbeit ändern müsse. Darüber hinaus sei keine standardsetzende Organisation (wie z.B. im Kakaobereich utz Certified, rainforest Alliance oder Fairtrade) alleine in der Lage, alle großen Herausforderungen im Kakaosektor zu meistern. Eine bessere Infrastruktur in Westafrika sei nötig, um den Kakaoanbau langfristig attraktiv zu halten, denn unter den jetzigen Bedingungen wanderten junge Leute häufig in die Städte ab, statt die Kakaoplantagen ihrer Eltern zu übernehmen. Aber auch Endverbraucher müssten mit in die Verantwortung genommen werden: menschenwürdige Lebens- und Arbeitsbedingungen, Perspektiven, Anpassung an klimatische Veränderungen und somit nachhaltiger Anbau funktionierten nur mit einem „Obolus“ für die Produktion/Produzenten. Nachhaltigen Kakaoanbau gäbe es nicht zum Nulltarif.

Michael Gahler, MdEP zeigte sich beeindruckt vom Forum Nachhaltiger Kakao in Deutschland, in dem verschiedene Stakeholder gemeinsam an einem Strang ziehen. Dies könne auch ein Modell für Aktivitäten auf europäischer oder sogar weltweiter Ebene sein.

Beate Weiskopf, Geschäftsführerin des deutschen Forum Nachhaltiger Kakao (GISCO), machte deutlich, dass die Einführung nachhaltiger Anbaumethoden der Schlüssel zur Verbesserung der Lebensbedingungen der Bauern und ihrer Familien bleibt. Die Situation der Kakaobauern in den Anbauländern verbessern und einen nachhaltigen Anbau der Kakaobohnen fördern – mit diesem Ziel wurde das Forum Nachhaltiger Kakao seinerzeit ins Leben gerufen. Hier haben sich die Bundesregierung, die deutsche Süßwarenindustrie, der deutsche Lebensmittelhandel, Nichtregierungs-Organisationen und standardsetzende Organisationen zusammen-geschlossen. Sie wollen ihre Aktivitäten bündeln, um so ihre Wirksamkeit zu erhöhen. Dabei arbeitet das Forum Nachhaltiger Kakao eng mit den Anbauländern zusammen. Zu den Initiatoren und Gründungsmitgliedern des Forum Nachhaltiger Kakao gehörte im Juni 2012 auch der BDSI. Mittlerweile hat das Forum Nachhaltiger Kakao rund 50 Mitglieder, davon über 30 aus der deutschen Kakao-, Schokoladen- und Süßwarenindustrie.

An der Veranstaltung nahm als Gast auch der Exekutivdirektor der Internationalen Kakao-Organisation (ICCO) Dr. Jean-Marc Anga teil. Er betonte, dass die Herausforderungen eines nachhaltigen Kakaosektors inzwischen bekannt seien. Die Frage sei vielmehr, wie man diesen Herausforderungen begegnen könne. Er warb für eine Umsetzung der Global Kakao-Agenda, die 2012 auf der ersten Weltkakaokonferenz in Abidjan verabschiedet wurde. Sie zielt u.a. auf die Stärkung der nationalen Plattformen in den Kakaoanbauländern selbst und damit auf die Stärkung der Kakaobauern ab.